„Ich werde wieder sein, wenn Menschen sind“

Matinée am Sonntag, 14. Juni 2015, 11:00 Uhr

HELMA GAUTIER liest Gedichte von und über Josef Weinheber

Aus Anlass des 70. Todestages: „Hier ist das Wort“ und andere Gedichte aus den späten Jahren, Lyrik von Ernst Waldinger, Josef Weber und Wystan H. Auden

Musikalisches Programm: Alexandra Bachtiar, Cello – Arcola Clark, Harfe

Begleitende Worte: Dr. Christoph Fackelmann

Vortragssaal des Fleming’s Deluxe Hotels Wien-City, Josefstädter Straße 10-12, 1080 Wien

Anschließend Gelegenheit für Speis und Trank im Restaurant des Fleming’s Deluxe Hotels Wien-City

Eintritt: 10,00 Euro / Kartenreservierungen: Tel. +43 (0)2743 8989; information@weinheber.at / Tischreservierungen für das Restaurant: Tel. +43 (0)1 20599-0

Veranstaltet von der Josef Weinheber-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Verein „Muttersprache“, Wien

Im Gedenken an den Heimgang Josef Weinhebers vor 70 Jahren wendet sich die Lesung der beliebten Burgschauspielerin und Vortragskünstlerin Helma Gautier der späten Lyrik des Dichters zu. Es sind die von Krieg und Diktatur überschatteten Jahre, in denen das Buch „Hier ist das Wort“ entstand, das zwar noch von Weinheber zum Druck freigegeben wurde, aber zu seinen Lebzeiten nicht mehr erscheinen konnte. Außerdem arbeitete der Dichter bis zuletzt an einer Sammlung seiner sprach- und zeitkritischen Versglossen.

Hier gibt es reiche Schätze zu heben, faszinierende und ergreifende Töne klingen an: die unbedingte Liebe zur Sprache, die Verantwortung in der Kunst, der Kampf gegen die unmenschliche Zeit, bitteres Selbstgericht und leidenschaftliches Bekenntnis zur großen Tradition.

Darüber hinaus will die Lesung Gedichte in Erinnerung rufen, die über Josef Weinheber geschrieben wurden, wie etwa Josef Webers schöne „Märzelegie“ auf den Tod des Dichters und das großartige Gedicht, das Weinhebers posthumer Nachbar in Kirchstetten, der bedeutende englische Autor Wystan Hugh Auden, zu seinem Gedächtnis verfasste.

Hier finden Sie den Programmfalter zur Matinée.

 

Rückkehr zu einem „Spätling der Gestalter“?

Zum Gedenken an den Lyriker Josef Weinheber

Von Christoph FackelmannCM 1_U1

Aus Anlaß des 70. Todestages von Josef Weinheber (* 9. März 1892, † 8. April 1945) veröffentlichen wir einen Vortrag, der im Herbst 2011 erstmals gehalten wurde. Für die Neuveröffentlichung wurde der Vortrag durchgesehen und erweitert. Wo er aus dem Blickwinkel von damals grundsätzlich auf die Situation der Erinnerungspflege und heutiger medialer Gedenkdiskurse eingeht, halten wir dies für unvermindert gültig und übertragbar.

Was ich Ihnen vermitteln möchte, kann in seiner notwendigen Begrenzung nicht mehr als Andeutung und Anregung bieten. Dazu soll allerdings einmal nicht der gewöhnliche Weg eingeschlagen werden, der einen Dichter fein säuberlich entlang der Chronologie seines Lebens und Schaffens zu „erklären“ bemüht ist. Stattdessen will ich eine Perspektive wählen, die gleichsam vom Ende her, aus der Situation der späten Jahre ein paar Schlaglichter auf das – eben durchaus ungewöhnliche – Phänomen Josef Weinheber zu werfen versucht.

Im Titel des Vortrags zitiere ich – von einem Fragezeichen begleitet – ein bekanntes Gedicht Weinhebers aus dem Juni 1943, das Schlußgedicht aus dem letzten von ihm selbst fertiggestellten Gedichtbuch. Dieses Buch nannte sich – mit programmatischer Wucht – „Hier ist das Wort“, es gelangte 1944 in den Druck, wurde aber, da die ersten Auflagen im zerbombten Leipzig verbrannten, zu Lebzeiten nicht mehr veröffentlicht (sondern erst posthum, 1947).

Ich halte „Hier ist das Wort“ für eines der wichtigsten Zeugnisse freien Geistes in der Gedichtliteratur jener Katastrophenjahre. In deutscher Sprache weiß ich ihm künstlerisch aus dieser Zeit nur wenig zur Seite zu stellen. Wollte man sich etablierter Begrifflichkeit bedienen, könnte man es als ein Dokument der „Inneren Emigration“ bezeichnen, vielleicht das bedeutendste in der österreichischen Literaturgeschichte. Aber das träfe den Sachverhalt nur halb und schief genug, ist das Werk doch in all seinem Widerspruchsgeist und Hingebungswillen ein Zeichen nicht des verschließenden Rückzugs, sondern der offenbarenden Behauptung im geistigen Raum. Nimmt man noch das nicht mehr vollendete Versglossarium hinzu, in dem Weinheber zur selben Zeit seine beißende Zeit- als Sprachkritik zu versammeln beabsichtigte – es ging aus demselben Ursprungskonzept hervor und erfuhr zu Lebzeiten des Autors ebenfalls nur Teilveröffentlichungen –, so fällt etwas Bemerkenswertes auf: Während man heute geneigt ist, Weinheber mit Blick auf die rufschädigende politische Begleitmusik allerspätestens für die vierziger Jahre als irgendwie satisfaktionsfähigen Schriftsteller abzuschreiben, entsteht ausgerechnet in dieser letzten Phase seines Lebens, den Zwängen und Nöten, den Facetten des persönlichen Scheiterns mühsam abgerungen, ein über die Maßen faszinierendes Vermächtnis. – –

Lesen Sie weiter: Der gesamte Essay ist hier als PDF verfügbar. Er bildet zugleich die erste Ausgabe der neuen Reihe „Contineri Minimo“, in der die Josef Weinheber-Gesellschaft ausgewählte kürzere Texte von und über Josef Weinheber veröffentlichen wird.

„Vielgeliebte Hilde …“

Veranstaltungshinweis:

„Vielgeliebte Hilde …“

Ulli Fessl und Gottfried Riedl lesen aus einem skurrilen Briefwechsel des jungen Josef Weinheber

Montag, 23. Februar 2015, 20 Uhr 15

Komödie am Kai, Franz-Josephs-Kai 29, 1010 Wien

Telefon: +43 1 5332434-0

Freier Eintritt; Spenden zugunsten der Aktion „Künstler helfen Künstlern“ erbeten.

Im Jahr 1916 führte Josef Weinheber einen intensiven Briefwechsel mit der damals noch nicht ganz achtzehnjährigen Hilde Zimmermann aus Wagstadt bei Troppau (Österreichisch-Schlesien). Die Bekanntschaft entsprang einer Kontaktanzeige, auf die Weinheber – wie in anderen Fällen auch – aus Lust an geistigen Herausforderungen und erotischen Abenteuern reagiert hatte. Es kam auch zu einer persönlichen Begegnung und einem flüchtigen Liebesverhältnis, aber Hilde Zimmermann konnte sich schließlich doch nicht überwinden, dem Werben des vierundzwanzigjährigen Schriftstellers, der unter dem Pseudonym Sven Teaborg an Sie herangetreten war, nachzugeben.

Die Korrespondenz ist aus sozial- und kulturgeschichtlichen Gründen sehr interessant; sie gibt aber auch Aufschluss über die Geistigkeit, die Bildungserlebnisse und das künstlerische Selbstverständnis Weinhebers, der darin manchen Blick in die Werkstatt seiner tastenden und probenden Anfänge, bestimmt von einem grüblerisch-schwärmerischen „Gottsuchertum“, gewährt. Darüber hinaus zeigen die Briefe ein heute oftmals skurril und unfreiwillig komisch wirkendes Rollenspiel vor dem ernsten Hintergrund gesellschaftlicher Zwänge und individueller Sehnsüchte in zerrütteter Zeit.

Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Josef Weinheber und Hilde Zimmermann: Jahresgabe der Josef Weinheber-Gesellschaft, Kirchstetten, 1989/90, S. 5-74.