„Und alles, was ich sprach, bleibt ungesagt …“

Ulli Fessl und Kurt Hexmann lesen Josef Weinheber

Gedichte aus „Hier ist das Wort“, dem satirischen Glossarium und „Wien wörtlich“
Erinnerungen von Bruno Brehm

Musikalisches Programm: Junko Tsuchiya (Klavier), Taner Türker (Cello)

Sonntag, 2. Oktober 2022, 15:00 Uhr
Festsaal des Gemeindeamts Kirchstetten
Eintritt: 12 Euro
Buffet mit Weinkost

Wienerstraße 32, 3062 Kirchstetten
Informationen: Tel. 02743 8989; Mobil 0676 5875347

Die traditionelle Herbstlesung in der Weinhebergemeinde Kirchstetten steht im Zeichen des vor 75 Jahren erschienenen letzten Hauptwerks „Hier ist das Wort“. Josef Weinhebers Vermächtnis, veröffentlicht erst nach seinem Tod, begeistert durch das außergewöhnliche Konzept einer Poetik und Sprachlehre in Gedichtform, aber auch durch die Kraft und Ausstrahlung einzelner Texte, die zu den beeindruckendsten Zeugnissen für Weinhebers Sprachkunst gehören, so etwa die legendären „Bekenntnis“-Gedichte wie „Mit fünfzig Jahren“ und „Symphonische Beichte“, „Rhythmus“-Gedichte wie „Als ich noch lebte“ und Übersetzungen von Horaz bis Michelangelo und Shakespeare.

Der zweite Teil der Lesung taucht in die satirisch-polemische Welt der Versglossen und gereimten Epigramme ein, die Josef Weinheber kurz vor seinem Tod zusammentrug, um daraus ein eigenes – freilich nicht mehr vollendetes – Buch zu gestalten.

Nach zweijähriger „Corona“-Unterbrechung nehmen die Josef Weinheber-Gesellschaft und die Marktgemeinde Kirchstetten ihre Veranstaltungsreihe wieder auf: Der beste Anlass für einen Besuch in der Wienerwaldgemeinde – verbinden Sie den beliebten Kulturtermin mit dem Erlebnis des frühherbstlichen Niederösterreich!

75 Jahre „Hier ist das Wort“ (1947-2022)

Jahresbericht 2021 / Programmausblick 2022

Kirchstetten, Anfang Februar 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Mitglieder und Freunde der Josef Weinheber-Gesellschaft!

Auch das vergangene Jahr bot für das Kulturleben in Österreich kaum Raum zur Entfaltung. Die gesundheitspolitischen Maßnahmen der Bundesregierung gestatteten es vor allem kleinen, gemeinnützigen Initiativen wie der unsrigen, deren organisatorisches wie materielles Fundament von jeher zum behutsamen Haushalten zwingt, nicht, ihr Veranstaltungsprogramm in gewohnter Form aufrechtzuerhalten. Starke Einschränkungen blieben auch 2021 unausweichlich.

Eine nachgeholte Gedenkmatinee

Glücklicherweise erlaubte es uns ein kurzes Zeitfenster im Frühherbst, währenddessen die pandemiebedingten Auflagen etwas gelockert waren, wenigstens eine Veranstaltung nachzuholen, die uns sehr am Herzen lag. Im Jahr 2020 hatten wir eine Lesung zur Würdigung des 75. Todestages von Josef Weinheber vorgesehen, die zunächst, noch in gutem Glauben, für April angekündigt worden war, um später noch an zwei Terminen im November zu einem Versuch anzusetzen. Jedesmal hatte uns das Verordnungsregime einen Strich durch die Rechnung gemacht; ärgerliche Verschiebungen und schließlich die Absage angesichts des trostlosen „Lockdowns“ waren die Folge gewesen.

Am 17. Oktober 2021 gelang es nun, das Programm von 2020, das an den Tod des Dichters erinnerte, in Gestalt einer Sonntagsmatinee doch noch nachzuholen. Den glänzend disponierten Vortragskünstlern Ulli Fessl und Kurt Hexmann sowie der Geigerin Valbona Naku war es zu danken, dass die Matinee ein wirklich gelungenes Ereignis wurde. Unter dem Weinheber-Motto „Jeder Blick verschwamm, da Abend war …“ brachte es nicht nur ein würdiges Totengedenken, sondern nach der Pause zum Ausgleich auch einen Ausflug in das Reich des Wiener Humors. Das gemeinsam mit dem Verein Muttersprache, dem Volksbildungskreis Wien und der Kulturinitiative „consideratio“ im Flemings Selection Hotel Wien-City verwirklichte Programm stieß auf große Zustimmung beim Publikum (u. a. berichtete die Wochenzeitung Zur Zeit vom 23./29. 10.).

75 Jahre Hier ist das Wort

Auch zur Stunde ist noch immer nicht abzusehen, ob und in welchem Maße der Verlauf der „Corona-Krise“ es uns heuer ermöglichen wird, Einladungen auszusprechen und öffentliche Veranstaltungen durchzuführen. Ich muß mich daher hier damit begnügen, einige Eckpunkte zu skizzieren:

Ein großes Anliegen ist es uns, die traditionelle Herbstlesung im Gemeindesaal von Kirchstetten 2022 nach zweijähriger Unterbrechung wieder aufleben zu lassen. Es böte sich auch ein schöner Anlass für einen Programmschwerpunkt: Heuer vor 75 Jahren erschien Josef Weinhebers letzter Gedichtband, Hier ist das Wort. Dieses Buch hatte der Dichter noch zu Lebzeiten fertiggestellt, aber erst zwei Jahre nach seinem Tod brachte es seine Witwe im Verlag Otto Müller in Salzburg heraus. Es hatte sich die wahrhaft große und ernste Aufgabe gesetzt, „die Substanz des abendländischen Gedichts noch einmal darzustellen, bevor sie vom allgemeinen Untergang des Geistes absorbiert wird“ (Brief an Martin Sturm, 3. 3. 1945). Ein Umbruchexemplar des vom Krieg verhinderten Erstdrucks mit seinen Letztkorrekturen gab Weinheber bei dem Maler Werner Berg, dem das Werk gewidmet war, in Obhut. Es ist ein echtes Rarum und befindet sich im Besitz unserer Gesellschaft. Die Vorderseite des vorliegenden Falters zeigt das Vorsatzblatt mit Weinhebers Imprimatur-Vermerk vom 29. 9. 1944.

Außerdem plant die Familie Weinheber-Janota für den Sommer einen kleinen, regelrecht „exklusiven“ Empfang im Weinheber-Haus in Kirchstetten. Es ist daran gedacht, zu „Brot und Wein“ mitsamt einer „Spezialführung“ durch die Gedenkräume und zum Dichtergrab sowie einer kleinen Lesung aus dem Werk Josef Weinhebers zu laden − immer vorausgesetzt, dass sich derartige gesellige Zusammenkünfte dann bereits ohne allzu große Auflagen realisieren lassen. Die Einladung soll sich vor allem an jene Mitglieder richten, die unsere Tätigkeit über die vergangenen Jahre mit außergewöhnlichen Zuwendungen unterstützt haben. Auch an neue Interessenten will sie sich wenden.

Wenn die Pläne spruchreif werden, werden wir Sie selbstverständlich wieder mit eigenen Aussendungen informieren. Auch können Sie jeweils auf unserer Netzseite http://www.weinheber.net aktuelle Mitteilungen lesen.

Marzik, Artmann, Weinheber und das Wienerlied

Während also über dem aktuellen Veranstaltungsprogramm noch das eine oder andere Fragezeichen steht, freut es mich umso mehr, Sie auch heuer mit einer Jahresgabe überraschen zu dürfen, die sich sehen − oder in diesem Fall besser: hören − lassen kann. Gemeinsam mit diesem Bericht erhalten Sie eine Audio-CD-Edition der Formation „Gemischter Satz“, gebildet aus dem Bassisten Günther Groissböck, dem Tenor Karl-Michael Ebner und dem Schauspieler, Kabarettisten und Autor Christoph Wagner-Trenkwitz als Rezitator. Das Anfang des vergangenen Jahres im Beethovensaal der Pfarrei Heiligenstadt aufgenommene Projekt beschreibt sich mit folgenden Worten: „Diese Doppel-CD verbindet vier verschiedene Ausdrucksformen der Wiener Seele: Duette, Lieder, Mundartliteratur und Schrammelmusik, die allesamt ihren Ursprung in der Wiener Heurigenkultur haben und bei aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit für das stehen, was Wien musisch ausmacht. Es ist ein glücklicher Zufall, wenn ein gefeierter Opernbassist wie Günther Groissböck und ein ebenso populärer Tenor wie Karl-Michael Ebner eine Freundschaft entwickeln und ihre gemeinsame Liebe zum Wienerlied, Wiens einzigartigem musikalischen und soziokulturellen Phänomen, entdecken. Umso mehr, wenn dies zu einer Albumproduktion wie der vorliegenden führt, die zusätzlich gesprochene Einlagen enthält – witzige, aber auch pointierte, bissige und sarkastische Wiener Gedichte von Trude Marzik, Josef Weinheber und H. C. Artmann, mit viel Charme von Christoph Wagner-Trenkwitz gelesen –, dazu fesselnde Instrumentalstücke der Philharmonia-Schrammeln.“

Diese beiden Tonträger − wir zählen sie bereits als Jahresgabe für 2023, weil unsere letztjährige, die Gedichtauswahl Urtatsachen, für 2021 und 2022 galt − mögen ein helles und fröhliches Licht in unseren gegenwärtig ja nicht gerade von Hoffnung und Zuversicht durchfluteten Alltag werfen. Die Liste auf der nächsten Seite, die über die Jahresgaben der letzten beiden Jahrzehnte informiert (siehe hier), unterstreicht hoffentlich, dass die Josef Weinheber-Gesellschaft trotz ihren alles in allem recht bescheidenen Möglichkeiten eine Tätigkeit entfalten konnte, die sich in puncto Qualität und Kontinuität nicht zu verstecken braucht.

Das haben wir aber nicht zuletzt der von unseren Mitgliedern und Mitarbeitern geschaffenen Basis zu verdanken, und wir müssen alles versuchen, um es fortzusetzen. Bitte bleiben Sie unserem Forum daher auch weiterhin gewogen, und werben Sie dafür, wo immer sich Gelegenheit bietet!

Im Namen des gesamten Vorstands der Josef Weinheber-Gesellschaft wünsche ich Ihnen ein gutes Jahr 2022 und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Ihr

Dr. Christoph Fackelmann e. h.

Präsident der Josef Weinheber-Gesellschaft

Hier finden Sie die vollständige Fassung des Jahresberichts im Original-Falterformat als PDF zum Herunterladen.

Weinheber in Kirchstetten – Lesung 2018

„Das ist das Wundersame deiner Kunst,
dass sie den Dingen ihr Geheimnis lässt …“

Ulli Fessl, Andreas Roder
und Karl Tattyrek
lesen
Josef Weinheber

Musikalische Umrahmung:
Junko Tsuchiya (Klavier) und Taner Türker (Cello)

Sonntag, 11. November 2018, 17:00 Uhr
Festsaal der Marktgemeinde Kirchstetten
Wienerstraße 32, 3062 Kirchstetten/NÖ
T: +43 (0)2743 8206

Eintritt: € 12,-
Buffet mit Weinkost

Eine Veranstaltung der Marktgemeinde Kirchstetten,
des Kulturkreises Kirchstetten
und der Josef Weinheber-Gesellschaft

Einladung zum herbstlichen Stelldichein aller Weinheber-Freunde und Lyrik-Liebhaber in Kirchstetten!

Zur Einführung in das diesjährige Programm:

„Das ist das Wundersame deiner Kunst, / dass sie den Dingen ihr Geheimnis lässt …“ – Mit diesen Worten, die das Motto zur diesjährigen Weinheber-Lesung in Kirchstetten bilden, bedenkt der Hamburger Dichter Hermann Claudius (1878–1980) seinen Freund Josef Weinheber. Der erste Teil des Programms rückt unter einen nachdenklichen Gesichtspunkt: Kunst und Leben – wie passt das zusammen? Gibt es für den Künstler einen Ort häuslicher Geborgenheit, oder ist alles irdische Glück nur ein flüchtiger Traum? Und bietet das Gedicht einen Schlüssel zu den dunklen Rätseln des Daseins und dem Chaos der Zeit, oder kann es bloß ahnen und andeuten? Neben die Verse von Claudius und eine Erinnerung des Kärntner Lyrikers Hans Leb (1909–1961) treten zwei kleine Zyklen aus den Jahren, die Weinheber in Kirchstetten verbrachte. Proben aus den ernsteren Partien von „Wien wörtlich“ (1935) zeichnen ein herbstliches Bild.

Nach der Pause nehmen Humor, Spott und Satire das Heft in die Hand. Sie zeigen ein anderes, wenn auch nicht grundverschiedenes Gesicht des Dichters Josef Weinheber. Seine Wiener Gedichte, meist Rollenlieder oder szenische Miniaturen, leben aus der Spannung, „in zwei Sprachen“ zu denken, „im Wienerischen und Hochdeutschen“ (31.12.1938). Weinheber wehrt sich mit seinen wienerischen Texten, die mit den Werken in der Hochsprache das Form- und Sprachbewußtsein teilen, sowohl gegen die Zumutungen kommerzorientierter Folklore als auch gegen die dumpfe Borniertheit des „Bodenständigen“. Im Falle des „Wiener Bänkels“ aus dem Kriegsjahr 1943 sieht er sich überdies mit den Zudringlichkeiten der Politik konfrontiert. All dem trotzt er ein befreiendes Lachen ab.