Mitteilung zur Veränderung des Weinheber-Denkmals in Wien

Der Presse ist zu entnehmen, dass am Freitag, den 7. Juni 2019, die „Einweihung“ des „neugestalteten“ Josef-Weinheber-Denkmals auf dem Schillerplatz im ersten Wiener Gemeindebezirk vorgenommen wird. Die Josef Weinheber-Gesellschaft möchte dazu folgende Feststellungen treffen:

Das Weinheber-Denkmal auf dem Schillerplatz wurde 1975 von der Weinheber-Gesellschaft aus eigenen Mitteln errichtet und von der Stadt „in ihre Obhut übernommen“. Die jetzt vorgenommene fundamentale Veränderung am Denkmal-Ensemble geschieht ohne Zustimmung des Errichters.

Hinsichtlich unseres Standpunkts zu diesem Vorhaben verweisen wir auf die Stellungnahme aus dem Juli 2013, als die Pläne zu dem jetzt offenbar dauerhaft verwirklichten Eingriff erstmals an die Stadtregierung herangetragen wurden. In dem Offenen Brief an den damals verantwortlichen Stadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny legten wir die Grundsätze fest, die im Umgang mit dem Denkmal für uns Geltung besaßen. Daran hat sich nichts geändert. Unabhängig davon, wie man zu den Absichten und Zwecken stehen mag, die ihn motivieren, halten wir den jetzigen Eingriff in das Denkmal-Ensemble für eine Konterkarierung der ursprünglichen Denkmal-Konzeption und somit für einen eklatanten Bruch der von der Stadt 1975 übernommenen Obhutsverpflichtung.

In der Unterredung, um das uns eine Vertreterin und ein Vertreter des Stadtrats im Sommer 2013 baten, hat man uns die Zusage gemacht, die Weinheber-Gesellschaft als die Denkmalerrichterin in alle künftigen Entscheidungen, etwaige Veränderungen am Denkmal betreffend, einzubinden. Das ist jetzt nicht geschehen; wir wurden nicht einmal informiert. Wir machen daher auf die Konsequenz aufmerksam, die wir uns in der damaligen Stellungnahme an den Statdrat als letzten Schritt vorbehielten, sollten wir zu der Überzeugung gelangen, dass die Stadt Ihrer Obhutspflicht für das Denkmal nicht mehr nachkomme: Für diesen Fall behielten wir uns vor, die Abtragung des Denkmals in dessen eigentlichen, ursprünglichen Bestandteilen (Stele und Büste) zu veranlassen und die Rücknahme durch die Weinheber-Gesellschaft, mithin die Entfernung aus dem öffentlichen Raum zu vollziehen.

Wir lassen daher gegenwärtig auf dem Wege denkmalschützerischer wie rechtsanwaltlicher Beratung prüfen, ob diese Maßnahme nunmehr ergriffen werden kann und und unter welchen Bedingungen dies erfolgen soll.

Die Josef Weinheber-Gesellschaft sieht es seit jeher als ihre zentrale Aufgabe an, das Vergnügen an der Dichtung Josef Weinhebers zu vermitteln, das Verständnis für dieses Kulturgut zu fördern und die Bildungsgrundlagen dafür zu pflegen. Dass wir darüber hinaus im Rahmen unserer Funktion als Forschungs- und Vermittlungsplattform eine offene historiographische Beleuchtung auch der politischen Aspekte der Autor-Biographie befürworten und eine möglichst sachliche Erschließung der Quellen unterstützen, versteht sich von selbst und ist durch zahlreiche Publikationen und Aktivitäten der Gesellschaft dokumentiert. Wir erachten es allerdings keinesfalls als Teil unserer Rolle, in geschichtspolitischen Konflikten Stellung zu beziehen oder uns gar in kulturkämpferische Kampagnen, gleich welcher ideologischen Provenienz, verwickeln zu lassen. Von diesem Prinzip wollen wir uns auch in Bezug auf die Erinnerungszeichen im öffentlichen Raum leiten lassen, die von der Gesellschaft im Laufe ihres bald siebzigjährigen Bestehens initiiert und realisiert wurden.

Deshalb halten wir es derzeit für sinnvoller, das Denkmal auf dem Schillerplatz aus dem öffentlichen Bereich zurückzuziehen, als es weiterhin der gegenwärtigen politisch-medialen Arena in Wien auszusetzen, deren Atmosphäre beinahe rettungslos überhitzt wirkt. Sie scheint zu einem maßvollen und differenzierten Umgang mit Erinnerungszeichen wie dem Weinheber-Denkmal bis auf weiteres nicht gewillt oder nicht mehr imstande. Wir bedauern das sehr und hoffen auf gelassenere und zugleich sensiblere Zeiten!

Kirchstetten – Wien, am 5. Juni 2019
Der Vorstand der Josef Weinheber-Gesellschaft.

2 Kommentare zu “Mitteilung zur Veränderung des Weinheber-Denkmals in Wien

  1. Pingback: Aufrechter Gang, aufrechte Haltung. Versuch einer Analyse von Otto Friedrich Bollnows Umgang mit Sprache — 1/3 – L'Atelier des Savoirs

  2. Jetzt ist es heraußen! AHs Wiedergänger HC soll in einer bisher nicht veröffentlichten Sequenz seiner Tischgespräche auf Ibiza in puncto Machtübernahme auch Josef Weinhebers „Selbstgespräch eines Biertipplers“ zum Besten gegeben haben: „Wann i, verstehst, wos z’reden hätt, / i schoffert olles o. / Wos brauch ma denn des olles, net? / Is eh gnua do …“

    Wir haben es immer geahnt! Wie gut, dass die Stadt Wien zur Seuchenprophylaxe endlich einen Graben um das Denkmal für den „Nazi-Dichter“ auf dem Schillerplatz ausheben ließ! Diese mutige Geste hatten wir wirklich dringend nötig. Dank und Glück auf an alle Aufrechten für Ihren heutigen Triumph über die dunkle Vergangenheit! Und mögen ihre Kräfte nie erlahmen, denn es gibt noch viel zu tun, um die Stadt von allen sinistren Tabernakeln zu säubern und das Böse endgültig zu bannen!

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