HARMONIA CLASSICA: Einladung zum „Bunten Herbstkonzert mit unseren Dichtern“
Dienstag, 30. September 2025, Beginn: 19 Uhr Volksbildungskreis, Prinz-Eugen-Straße 44/3, 1040 Wien
Werke von Leo Fall und Emmerich Kalman bis zur Giuseppe Verdi und Richard Wagner, Volkslieder Vertonte und gelesene Texte von Gerty Ederer, Christa Meissner u. a. Vertonung des Gedichtzyklus „Lob der Heimat“ von Josef Weinheber durch Alexander Blechinger
Ausführende: Elisabeth Linster (Sopran), Alexander Blechinger (Tenor), Aya Mesiti (Klavier)
Nähere Informationen sowie die Möglichkeit zur Kartenvorbestellung finden Sie hier. Karten (25 Euro) können auch an der Abendkassa bezogen werden.
Einladung zur Präsentation der Anthologie „Eisblumen. Nonkonformistische Lyrik im Dritten Reich“ (Lepanto Verlag)
11. September 2025, 19 Uhr 30, Wehrgasse 30 (Ferdinandihof), 1050 Wien
Einleitende Worte des Verlegers Vortrag von Prof. Dr. Günter Scholdt (Herausgeber): „Einspruch gegen Cancel Culture“ Leseproben: Dr. Christoph Fackelmann (Herausgeber) Diskussion, Büchertisch, kleines Weinbuffet
Der 2007 gegründete Lepanto-Verlag mit Sitz in Rückersdorf üb. Nürnberg gibt Bücher zum Nachdenken und Standhalten in unserer Zeit heraus. Sie verschreiben sich der „Heilkraft des Thesaurus“ (W. Iwanow), also des geistigen Schatzes christlich-abendländischer Überlieferung. Damit setzen sie gegen eine kulturrevolutionäre Tabula-rasa-Mentalität auf die lebendige Auseinandersetzung mit traditionsbewusster Philosophie, Theologie und Literaturgeschichte.
Die Veranstaltung stellt das Verlagsprogramm vor und präsentiert eine gewichtige Neuerscheinung: die zweibändige Anthologie „Eisblumen. Nonkonformistische Lyrik im Dritten Reich“. Der Impulsvortrag des Herausgebers Günter Scholdt beschreibt Strategien der Dissidenz und des Widerstands unter den deutschen Schriftstellern zwischen 1933 und 1945. Gleichzeitig stellt er die Frage nach der Verleugnung und der Wiederkehr der „Inneren Emigration“ als Verhaltensoption für die Gegenwart. Beeindruckende Textproben u. a. von Gottfried Benn, Friedrich Georg Jünger, Elisabeth Langgässer, Reinhold Schneider und Josef Weinheber veranschaulichen die Szenerie.
Wiener Stephansdom, Detail am oberen Ende der Südturmtreppe / Falk 2 – Wikimedia Commons
Zum 80. Todestag Josef Weinhebers am 8. April 2025
In seinem letzten Brief an Gerda Janota, geschrieben, als der kontinentale Vernichtungskrieg längst auch die engere Heimat verschlungen hatte, kommt Josef Weinheber rückblickend auf sein eigenes Werk zu sprechen und misst es an der geschichtlichen Lage. In einer der berühmten Passagen aus diesem Schreiben vom 9. März 1945 bekennt er:
„Ich habe Adel u[nd] Untergang, (was für ein bezeichnender Buchtitel!!) mit dem Kennwort ,In hora mortis‘ überschrieben. Ich möchte nicht den leisesten Timbre davon zurücknehmen: Alles echt in dieser Zeit Geschriebene ist im Angesicht des Todes geschrieben. Wenn das, was also da geschrieben worden ist, geschrieben werden konnte, so haben wir es wissen müssen. Es steht uns im Grund kein Recht zur Klage – oder gar zur Anklage zu.“
Weinheber begreift das schreckliche Geschehen nicht als eine isolierte Katastrophe. In dem, was aus dem imperialistischen Gegeneinander der europäischen Mächte und aus dem Versinken Deutschlands in Tyrannei, Massenwahn und technizistischen Exzess hervorgegangen war, erblickt er vielmehr nur das unaufhaltsame Produkt eines viel weiter zurückreichenden Übels, welches im Kern geistiger Natur ist. Der Dichter stand mit dieser Überzeugung damals nicht alleine. So notiert etwa Martin Heidegger um 1942/43 im Zusammenhang seiner Auseinandersetzung mit Heraklit: „Durch Kriege wird nichts entschieden, weil sie selbst bereits auf einer Entscheidung gründen und wiederum, wenn überhaupt auf etwas, nur auf eine ihnen vorgegebene Entscheidung zugehen.“ („Schwarze Hefte“, „Anmerkungen“ I, Nr. 58)
Seinem eigenen Schaffen schreibt Weinheber in Bezug auf diesen tieferen Konflikt eine besondere Hellsichtigkeit zu – ohne sich dessen etwa zu rühmen, sondern von tiefer Trauer gebannt und in der Gewissheit, von den inneren Verwüstungen selbst keineswegs verschont geblieben zu sein. Auch sein eigenes politisches Versagen unter dem Nationalsozialismus spricht er an. Aber er besteht auf der Kraft seiner Gedichte, „vorgewußt“ und „vorausgesagt“ zu haben, und zitiert aus dem Eingangsgedicht seines großen Zyklus „Zwischen Göttern und Dämonen“: „[…] hebt die Vollstreckerhand und gibt das Zeichen. Was zu lösen nimmer erlaubt, es zu tilgen, schlägt er mit Nacht die Stirn – –“.
Und weiter bekundet er:
„Ich habe überhaupt, wenn ich in diesen entscheidenden Tagen mein Werk […] durchgehe, die Empfindung, daß hier Dinge mit einer traumwandlerischen Klarheit gesagt worden sind, wie nie vorher. Du kannst das nachprüfen. Ich bitte Dich […] die Sonette an die Nacht zu lesen. Du wirst sie jetzt anders lesen. Das Gläserne ihrer Diktion (gleichbedeutend mit erkennender Aussage), wird Dir jetzt erst zu Bewußtsein kommen. Auch das Vor-Gedicht dazu: Die Nacht ist groß: „Aufhalten kann ich nicht etc.“ Als ich das alles schrieb, habe ich an dem, was jetzt geschieht, gelitten. Jetzt bin ich gelähmt, vom Leiden nicht mehr gesegnet. Denn: „Was geschieht, lebt wilder denn das Geschaute. Wo ein Herz schlägt, wird es gebrochen. Jede Welt gebiert sich aus Morde.“
Wir scheinen acht Jahrzehnte nach diesen Worten an einem Punkt angelangt, wo uns jenes alte Gebrechen des europäischen Menschen erneut heimzusuchen begonnen hat – verschleppte und vertuschte „Geschlechtskrankheiten geistiger Art“ nennt es Weinheber in jenem Brief. Sie waren mit dem Ende des Weltkriegs keineswegs überwunden, nur vorübergehend zur Erschöpfung gelangt. Das mehrdeutige Leitmotiv der „Nacht“ kreist in Weinhebers Lyrik um den „metaphysischen“ Faktor dieses Prozesses. Dass mittlerweile das „Denken“ in den Kategorien der „nackten End-Tat“, der Ungeist der „Liquidierung“, vor dem den lebensmüden Dichter damals schauderte, wieder zum guten Ton der politischen Auseinandersetzung unter den europäischen Nationen gehört, lässt Ungeheuerliches ahnen. Und wären es nur unsere Eliten, deren bellizistische Phrasen uns wie Wiedergänger aus finstersten Zeiten tönen, so wären es doch unsere Eliten, Fleisch von unserem Fleisch …
Im Gedenken an den Todestag des Dichters, der sich am 8. April 2025 zum achtzigsten Mal jährt, lassen wir hier jene Gedichte sprechen, die Weinheber damals zu Zeugen heranzog. Man prüfe sie auf ihr Gewicht und sich an ihm! (C. F.)
Zwischen Göttern und Dämonen I/1
Wie durft er hoffen, daß ihn die Götter jetzt noch nähmen, wo er frevelnd sie totgesagt? Und lebten sie, wer kann denn gegen ihre geheimen Gesetze aufstehn?
Sie sind nicht mehr? Und sehen doch ehern zu, wie jener hertritt vor die zerstörte Burg, das Lob der Menge um die einstens stolzen, von Ehrgier entweihten Schläfen?
Und einer ihrer, welchen sie dunklen Munds den Löser nennen, hebt die Vollstreckerhand und gibt das Zeichen. Was zu lösen nimmer erlaubt, es zu tilgen, schlägt er
mit Nacht die Stirn. Heimfällt sie vor ihrer Zeit. Den Göttern ist genügt, den Dämonen auch. Es siegelt ein gewesnes Haupt der Lorbeer. Die Menge bemerkt es nicht mehr.
(15.6.1937)
An die Nacht XIII
Du stillst die Träne? Wiegst das Mühsal ein? O Selbstverrat, o kindlicher Betrug! Du bist nicht die, die täglich kommt und klein: Begehrte Gabe, wechselnd mit Entzug.
Was geht mein Ich dich an, verstört, allein? Das bist du nicht, das bist du nicht genug! Nein, allen Abendvölkern wirst du sein die blutige Sichel und der schwarze Pflug.
Wenn du erst kommst, wird Jammer riesenhaft und dir gemäß an deiner Stelle gehn; dir zu entrinnen, Wilde, ist kein Ort.
Du schlägst das Elend und du schlägst die Kraft, du eilst, den Ungerechten wegzumähn und nimmst vom Edlen Schmach und Ekel fort.
XIV
Ja, nimmst vom Edlen Schmach und Ekel fort, doch gibst ihm keine Hoffnung, es zu wenden. Verdorrt wird sein, was uns berief, verdorrt die Liebe in des Menschen klammen Händen.
Des wüsten Kain vorbestimmter Mord am Bruder wird den hellen Abel enden. Und so erfüllt sich das geheime Wort: Er wird den Schoß, der ihn getragen, schänden.
Wer könnte annoch dich besingen, Nacht? Ich habe dich geschaut und dich bedacht. Mich hat das große Grauen stumm gemacht.
O Nacht, die schrecklich in mein Dunkel schreit! O Nacht, die mich mit Lust zum Ende weiht! O Nacht, du holde, wenn auch finstre Zeit!
(24./25. 3. 1936)
Die Nacht ist groß
Die Nacht ist groß. Ich stehe und verrichte den Dienst im aufgelösten Heiligtume. Die Nacht ist groß. Ich leide die Gesichte und sage sie, dem dunklen Gott zum Ruhme.
Die Nacht ist groß. Verfallen dem Gerichte, zerstörten sie den Glanz der letzten Blume. Die Nacht ist groß. Ich stehe und verrichte den Dienst im leergewordnen Heiligtume.
Aufhalten kann ich nicht. Jedoch ich sehe wie keiner, der da lebt, die Rächer schreiten. Die Nacht ist groß. Die schwarzen Schleier wallen.
Mein Teil ist: Unberührt vom eignen Wehe und jeder Hoffnung fern, dem zornbereiten Ratschluß der Götter in den Schoß zu fallen.
(8.7.1935)
Sache des Sängers
Teil des Helden ist es, zu sterben; wie es Teil des Knechts ist, zu bleiben. Ihm indessen, dem ein tieferes Leiden unsre Gestirne enthüllt,
ist verhängt der Ruf, die Klage, die Mahnung. Und der Seher düstrer Gesichte prüft am Leid, das folgt, seine Gabe, mißt seinen bittern Triumph:
„Was geschieht, lebt wilder denn das Geschaute. Wo ein Herz schlägt, wird es gebrochen. Jede Welt gebiert sich aus Morde. Und: Die Vergänglichkeit siegt.“
Ihm befiehlt zu reden die Trauer, ihm der Würde Hingang zu weinen; stet und ob auch jener Stimm oder Träne Kranz in die Finsternis fällt.