Ein Gang durch das Kalenderbuch „O Mensch, gib acht“ Vortrag und Lesung von Thomas Girzick Einführende Worte: Dr. Christoph Fackelmann
Donnerstag, 23. Oktober 2025, 18:30 Uhr Weinhebersaal des Volksbildungskreises, Prinz-Eugen-Straße 44/3, 1040 Wien (Freier Eintritt)
Josef Weinhebers „erbauliches Kalenderbuch“ mit dem Nietzsche-Titel „O Mensch, gib acht“ erschien 1937, zwei Jahre nach „Wien wörtlich“. Es ist das zweite humoristische Meisterwerk des Dichters und setzt sich aus zwölf Monatszyklen zusammen, die in liebevoll-augenzwinkernder Weise an die alten Traditionen bäuerlicher Kalenderverse anknüpfen, manchmal satirisch, manchmal ausgelassen sprachspielerisch, manchmal auch nachdenklich und besinnlich:
„Ich zeig dir zwölfmal deine Plag, dein Werk und Brauch im Monatslauf, und geb auch ein paar Heilige drauf, ein granum Weisheit misch ich drein, was tun sollst und was lassen sein …“
Thomas Girzick unternimmt einen Gang durch das mit viel Kunstverstand und Esprit konzipierte Buch. Unterstützt von bibliophilem Bildmaterial, stellt er die verschiedenen Gesichter dieses unvergleichlichen lyrischen Jahrweisers vor.
Buchvignette aus der Erstausgabe von „O Mensch, gib acht“, gestaltet von Hilde Schimkowitz
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder und Freunde der Josef Weinheber-Gesellschaft!
Auch zu Beginn dieses Jahres ist es mir eine Ehre, mich mit dem traditionellen kleinen Falter bei Ihnen einzustellen, um über die Tätigkeiten und Vorhaben der Josef Weinheber-Gesellschaft zu informieren. Das Jahr 2024 hat mit der Verschickung der neuen Jahresgabe, der zweibändigen Lyrik-Anthologie Eisblumen, geendet. Eigentlich war dies schon für den Sommer angekündigt, aber die Fertigstellung der Publikation, bei der vor allem die aufwendige Quellenarbeit ins Gewicht fiel, verzögerte sich. Es war uns dann eine Erleichterung, dass es gelang, die Bücher wenigstens noch vor Weihnachten auf den Weg zu unseren Mitgliedern zu bringen. Ich hoffe nun, dass sie eine gute Aufnahme gefunden und Ihnen anregende Lektüre-Erlebnisse geschenkt haben. Es würde mich freuen, wenn Sie unter den Gedichten der Zeitgenossen Josef Weinhebers, die neben einer Auswahl seiner eigenen in der Anthologie aufgenommen wurden, Schönes, Interessantes und Überraschendes entdecken konnten.
Vorrang der Kunst
Was die sogenannte literarische Innere Emigration – der Begriff bezeichnet die nicht ins Exil ausgewichene und dennoch um künstlerische und weltanschauliche Unabhängigkeit vom Totalitarismus bemühte Literatur der Jahre 1933−1945 − mit Josef Weinheber zu tun hat, konnte die Anthologie zumindest andeuten. Es ist heute natürlich alles andere als selbstverständlich, Weinhebers Werke vor diesem Hintergrund zu lesen. Viel zu eindimensional liegt der Fokus auf diversen Gesten der Willfährigkeit gegenüber dem Regime, die mit Weinhebers Person auch verbunden werden können. Früher, in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg, war das anders; damals verstand man durchaus, die kritische Dimension von Büchern wie Zwischen Göttern und Dämonen (1938), Kammermusik (1939) und Hier ist das Wort (1944/47) zu würdigen. Nicht, dass sich Weinhebers Werk überhaupt, so oder so, auf das „Politische“ reduzieren ließe. Nein, das wohl gerade nicht, und zwar ganz gleich, welcher Parteigängerschaft im ideologischen Bürgerkrieg des frühen 20. Jahrhunderts man ihn verdächtigen würde. Solange man in ihm nicht den Dichter und Künstler, sondern immer nur das Anhängsel irgendeiner politischen Bewegung erblickt, ist alle Diskussion müßig.
Umso wichtiger ist es, auch den Leser der Gegenwart darin zu schulen, das Vielschichtige und Komplexe einer Erscheinung wie Weinheber zu erkennen und sich nicht auf Stereotype zu verlassen, wie sie uns der eilfertige, längst zum Ritual erstarrte Umgang mit jener Vergangenheit aufdrängt − einer Vergangenheit, die scheinbar noch so nah, in Wirklichkeit aber schon viel ferner und damit fremder ist, als wir wahrhaben wollen. Am 8. April 2025 werden es acht Jahrzehnte sein, seit Josef Weinheber diese Welt verließ. Das ist gewiss kein großer runder Anlass des Gedenkens. Aber er sollte uns sicherlich wert sein, solche und andere Fragen zu stellen. Die Weinheber-Gesellschaft hat es sich mit ihren Veranstaltungen und Veröffentlichungen schon früh zur Aufgabe gemacht, genauer hinzusehen und zu -hören. Aber ihre Kräfte sind sowohl personell als auch materiell stark begrenzt, wenn auch manch einer unter ihren Unterstützern ihre Tätigkeit weit über den gewöhnlichen Mitgliedsbeitrag hinaus fördert. Das will ich bei dieser Gelegenheit einmal mehr sehr dankbar herausstreichen! Gleichzeitig möchte ich erneut die Einladung an Sie aussprechen, sich auch inhaltlich, mit Ideen, Plänen und durch Werbung, in die kulturelle Initiative einzubringen, die die Weinheber-Gesellschaft darstellen möchte.
Alte und neue Veranstaltungen
Wie ich schon im letzten Jahresbericht angekündigt habe, nötigen uns die „natürlichen“ Grenzen unserer Kapazität nach längeren, arbeits- und kostenintensiven Phasen auch wieder zu ruhigeren, bescheideneren Etappen. Meine Programmhinweise fallen daher erst einmal etwas knapper aus.
Über unsere prominent und kompetent besetzte Lesung in der Weinheber-Gemeinde Kirchstetten werden Sie in bewährter Weise gesondert durch die Einladungen informiert, die das Gemeindeamt versendet. Auch heuer wird sie wieder im November stattfinden, und wir hoffen, Sie und Ihre Freunde und Bekannten zahlreich begrüßen zu dürfen. Dass die Veranstaltung wirklich die kleine Reise an die Ausläufer des Wienerwaldes wert ist, hat sie im vergangenen Jahr wieder bewiesen. Unter der freundlichen Schirmherrschaft von Bürgermeister Josef Friedl eröffneten Ulli Fessl und Kurt Hexmann, am Klavier begleitet von Junko Tsuchiya, einen neuen Zyklus (s. Foto unten): Sie boten Gedichte und Texte aus den frühen zwanziger Jahren, als Josef Weinheber seine ersten Bücher veröffentlichte. Heuer werden wir in die zweite Hälfte jenes Jahrzehnts voranschreiten, in dem Weinheber künstlerisch zu sich selbst fand (während er an der mangelnden Beachtung, die seine Lyrik fand, schier zu verzweifeln drohte).
Von links nach rechts: Junko Tsuchiya (Klavier), Ulli Fessl und Kurt Hexmann, Weinheber-Nachmittag am 10. November 2024 im Gemeindefestsaal von Kirchstetten (Foto: Prof. Mag. Harald Mortenthaler)
Unsere Vortragsreihe im Weinhebersaal des Wiener Volksbildungskreises ist inzwischen auch schon gut eingeführt. Sie hat sich vor allem für Anlässe bewährt, die bewusst kein hochwissenschaftliches Ambiente voraussetzen und auch einen gemütlichen Austausch mit dem interessierten Publikum gut vertragen (Speis und Trank inbegriffen). Wortwörtlich zum Angreifen waren etwa die Objekte, um die es im vergangenen April ging, als wir „Autographenschätze und Neuentdeckungen rund um Josef Weinheber“ bewundern durften. Ein kleines Schnipsel aus dem damals Dargebotenen ziert übrigens die Titelseite dieses Jahresberichts: die Schwarzweiß-Fotografie eines (unbekannten?) Weinheber-Porträts aus den dreißiger Jahren (s. Foto unten). Es handelt sich um eine Einklebung in Weinhebers Handexemplar von Persönlichkeit und Schaffen (Ex libris: „November 1935“). Dieser Fund aus dem Besitz Hedwig Formaneks, der Nichte Hedwig Weinhebers, tauchte jüngst im Antiquariatshandel auf und konnte von einem verdienstvollen Mitglied unserer Gesellschaft erworben werden.
Heuer setzen wir die Reihe mit folgendem Abend fort:
Donnerstag, 23. Oktober 2025, 18:30 Uhr Weinhebersaal des Volksbildungskreises, Prinz-Eugen-Straße 44/3, 1040 Wien (freier Eintritt)
MIT JOSEF WEINHEBER DURCH DAS JAHR Ein Gang durch das Kalenderbuch „O Mensch, gib acht“
Vortrag und Lesung von Thomas Girzick Begrüßung und Einführung: Dr. Christoph Fackelmann
Josef Weinhebers „erbauliches Kalenderbuch“ mit dem Nietzsche-Titel O Mensch, gib acht erschien 1937, zwei Jahre nach Wien wörtlich. Es ist das zweite humoristische Meisterwerk des Dichters und setzt sich aus zwölf Monatszyklen zusammen, die in liebevoll-augenzwinkernder Weise an die alten Traditionen bäuerlicher Kalenderverse anknüpfen, manchmal satirisch, manchmal ausgelassen sprachspielerisch, manchmal auch nachdenklich und besinnlich:
„Gib acht, o Mensch, was ich dir sag: Ich zeig dir zwölfmal deine Plag, dein Werk und Brauch im Monatslauf, und geb auch ein paar Heilige drauf, ein granum Weisheit misch ich drein, was tun sollst und was lassen sein …“
Unser Mitglied Thomas Girzick unternimmt einen Gang durch das mit viel Kunstverstand und Esprit konzipierte Buch. Er stellt die verschiedenen Gesichter dieses unvergleichlichen lyrischen Jahrweisers vor.
Vignette von Hilde Schimkowitz zur Erstausgabe von Josef Weinhebers Kalenderbuch O Mensch, gib acht (1937)
Nebenbei: Die eingangs erwähnte Anthologie Eisblumen wird heuer an zwei Terminen auch in Wien vorgestellt: zum ersten Mal am Donnerstag, den 11. September 2025 um 19:30 Uhr im Rahmen einer Verlagspräsentation (nähere Auskunft zum Veranstaltungsort unter info@lepanto-verlag.de), und zum anderen Mal im Programm der Österreichischen Goethe-Gesellschaft am Donnerstag, den 16. Oktober 2025 um 17:00 Uhr im Café Museum (Bibliothek), Operngasse 7, 1010 Wien. Auch zu diesen Veranstaltungen sind Sie selbstverständlich herzlich willkommen!
Neue Pläne
Unterdessen liegt das Hauptaugenmerk unserer publizistischen Arbeit zurzeit auf den schon in Aussicht gestellten neuen Bänden unserer Literaturwissenschaftlichen Schriftenreihe. Zunächst steht die schon lange erwartete Herausgabe der Briefe an Gerda Janota auf dem Plan − eines der letzten großen editorischen Desiderata der Weinheber-Forschung, ein Lückenschluss mit großer Aussagekraft. – Das aber sei hier nur kurz angemerkt; es ist noch viel zu tun, und der Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Der Abschluss ist für 2026 in Aussicht genommen und würde dann unseren Mitgliedern als nächste gedruckte Jahresgabe vorgelegt.
Bitte schenken Sie dem Werk Josef Weinhebers weiterhin Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse und halten Sie uns die Treue! Mit guten Wünschen und herzlichen Grüßen für 2025 verbleibe ich
Ihr
Dr. Christoph Fackelmann (Präsident der Josef Weinheber-Gesellschaft)
Hier können Sie den vollständigen Jahresbericht im PDF-Format herunterladen.