Jahresbericht 2020 / Programmausblick 2021

Kirchstetten, Ende Jänner 2021

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder und Freunde der Josef Weinheber-Gesellschaft!

Das vergangene Jahr ist wohl an keinem von uns spurlos vorübergegangen. Ein gesundheitspolitischer Ausnahmezustand von bislang ungekannten Ausmaßen hielt das gesamte öffentliche Leben fest im Griff und zog bis weit in persönlichste Belange hinein seine Kreise. Unter diesen Umständen war an ein kulturelles Leben in gewohnter Form nicht zu denken, ja, der Zusammenbruch des kulturellen Veranstaltungswesens ‒ von den großen Theatern bis hinunter zu den kleinen privaten Initiativen ‒ zählte zu den ersten „Kollateralschäden“ der „Corona-Krise“.

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Grabstätte des Dichters im Garten des Weinheberhauses, Kirchstetten/NÖ, Aufnahme von April 2020

Absagen, Absagen, Absagen …

Das musste auch die Josef Weinheber-Gesellschaft schweren Herzens hinnehmen. Mit besonderen Plänen waren wir in das Jahr gestartet, in dem es der 75. Wiederkehr des Todestages von Josef Weinheber zu gedenken galt (siehe oben, Foto der Grabstätte im Garten des Weinheberhauses, Kirchstetten/NÖ, April 2020) Aber all unsere Ambitionen, diesen feierlichen Anlass auch in einer angemessenen Form künstlerisch zu würdigen, erwiesen sich schließlich als hinfällig. Zunächst waren wir gezwungen, die festliche Matinee im April abzusagen. Hier hätten Martin Haidinger und Ingomar Kmentt in Wort und Ton Proben aus Weinhebers Wiener Lyrik zum Besten geben sollen. Die Vorbereitungen waren weit gediehen, als uns der erste „Lockdown“ einen Strich durch die Rechnung machte. Neben anderen Veranstaltungen fiel dann auch die traditionelle Kirchstettener Lesung mit Ulli Fessl und Kurt Hexmann ins Wasser. Unser Versuch, mit dem bereits sorgfältig ausgearbeiteten Programm, das ebenfalls an den Tod des Dichters erinnern sollte, nach Wien auszuweichen und es wenigstens in kleinerem Rahmen aufzuführen, musste auch aufgegeben werden, als uns im November der nächste „Lockdown“ ereilte.

Und da wir heute, ein Jahr nach Ausbruch der Krise, immer noch nicht wissen, ob und wann künstlerische Veranstaltungen, Lesungen und Vorträge wieder stattfinden dürfen, können wir Ihnen vorerst keine neuen Termine ankündigen. Es wäre einfach mit zu großen Ungewissheiten behaftet, zum jetzigen Zeitpunkt bereits wieder konkrete Planungen aufzunehmen.

Eine neue Jahresgabe

Es freut uns jedoch, dass wir im vergangenen Jahr unseren Mitgliedern zumindest auf dem Gebiet der gedruckten Veröffentlichungen eine Erinnerungsgabe zum 75. Todestag überreichen konnten. Der kleinen Sammlung Widmungen, die denkwürdige Funde aus der Arbeitsbibliothek des Dichters dokumentierte, folgte indes kurz vor Weihnachten, also gerade noch rechtzeitig vor dem Ende des Gedenkjahres, eine weitere Publikation. Wir dürfen sie unseren Mitgliedern gemeinsam mit diesem Bericht als gedruckte Jahresgabe vorlegen, gezählt für die Jahrgänge 2021/22. Das neue Buch geht auf die überraschende Initiative des Thüringischen Schriftstellers und Verlegers Uwe Lammla (Arnshaugk Verlag) zurück, dem es ein großes Anliegen war, dem lyrischen Programm seines Hauses einen Band Weinheber hinzuzfügen. Bei Arnshaugk wurden bereits einige Auswahlbände von bedeutenden Lyrikern verlegt, die zu den Zeitgenossen Weinhebers zählen, so etwa von Jochen Klepper, Fritz Usinger, Oda Schaefer, Horst Lange und Karl Wolfskehl, dem Weggefährten Stefan Georges. In diese respektable Gesellschaft trat nun also auch Josef Weinheber mit einer Auswahl aus seinem lyrischen Gesamtwerk ein.

Der Titel des Bandes, Urtatsachen, spielt auf ein brühmtes Bekenntniswort des Dichters an, in dem er sein Schaffen unter die Maxime des „Gestaltens aus den Urtatsachen der Sprache“ rückte. Es ging um eine dichte und konzise, zugleich bibliophil angelegte Auslese. Sie ist so konzipiert, dass es kaum Überschneidungen mit dem 2017, aus Anlass des 125. Geburtstags vorgelegten Auswahlband Ich werde wieder sein, wenn Menschen sind gibt und dennoch ein vollwertiges Bild entsteht, das überdies mit stärkeren Akzenten auf dem zyklischen Charakter vieler Schöpfungen Weinhebers eine besondere Note aufweist. Die Gedichte ergänzt eine Rede Weinhebers aus dem Jahr 1937, ein wichtiges Zeugnis seines Selbstverständnisses, das für den Band erstmals in vollständiger Fassung rekonstruiert wurde.

Gemeinsame Leidenschaft für Weinheber

Wenn also die Weinheber-Gesellschaft im vergangenen Jahr, anderweitig zur Inaktivität gezwungen, auf publizistischem Gebiet erfreuliche Signale setzen konnte, so soll nicht vergessen werden, dass es auch in dieser überschatteten Zeit immer wieder anerkennenswerte Bemühungen zu verzeichnen galt, die Erinnerung an den Dichter und sein Werk aufrechtzuerhalten: durch materielle Zuwendungen, die unserer Gesellschaft die Arbeit erleichterten, durch persönliche Initiativen verschiedenster Art oder einfach durch fruchtbares künstlerisches Interesse. Ich nenne stellvertretend die Namen Ingomar Kmentt, Peter Steinbach, Wolfgang Schulz („Döblinger Heimat-Kreis“), Mag. Harald Mortenthaler, Mag. Alexander Martin Pfleger, Wolfgang Vasicek („Consideratio“) sowie unser im November leider verstorbenes Mitglied Harald Cajka („Volksbildungskreis“, siehe das Foto unten). Wir sind und bleiben auf solche Bereitschaft angewiesen!

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Harald Cajka (3. 9. 1933 – 28. 11. 2020)

Ich kann mich in diesem Bericht etwas kürzer fassen, weil aus den genannten Gründen noch keine neuen Veranstaltungen zu vermelden sind. Wir informieren Sie selbstverständlich, sobald neue Einladungen ausgesprochen werden können. Jedoch möchte ich die Gelegenheit nützen, um noch etwas anderes anzusprechen: Unsere Gesellschaft erhält immer wieder kleinere und größere Bestände von Weinheber-Literatur aus aufgelassenen Bibliotheken von verstorbenen Weinheber-Freunden ‒ Ausgaben seiner Werke ebenso wie Schriften über ihn. Wir möchten diese Bücher an Interessierte weitergeben und müssen in der Regel nicht mehr als die Übernahme der Portokosten verrechnen. Gerne teilen wir auf Anfrage aktuelle Titellisten mit.

Nun wünsche ich Ihnen ein trotz allem hoffnungsfrohes Jahr 2021 und verbleibe im Namen der Josef Weinheber-Gesellschaft
mit herzlichen Grüßen
Ihr
Dr. Christoph Fackelmann
Präsident der Josef Weinheber-Gesellschaft

Hier finden Sie die vollständige Fassung des Jahrersberichts im Original-Falterformat als PDF zum Herunterladen.

„Ich bin ein Freund der Vergangenheit …“

Poetische Erinnerungen an das Alte Wien
von Ferdinand von Saar bis Josef Weinheber

Vortrag und Lesung von Dr. Christoph Fackelmann und Harald Cajka
11. April 2019, 17:30 Uhr
Volksbildungskreis, Prinz-Eugen-Straße 44, 1040 Wien (Freier Eintritt)

Gewaltige Umbrüche durchlebte die Stadt Wien auf ihrem Weg von der Haupt- und Residenzstadt des Kaiserreichs bis zum „Wasserkopf“ der kleinen Republik, die aus den Ruinen des Habsburgerstaates hervorgegangen war. Nicht nur ihr äußeres Erscheinungsbild veränderte sich grundlegend, auch ihre gesellschaftliche, kulturelle und politische Zusammensetzung unterlag einem rasanten Wandel. Christoph Fackelmann und Harald Cajka stellen poetische Texte vor, die in dieser Zeit, zwischen den 1860er und den 1930er Jahren, entstanden sind. Die Proben aus der Wiener Literaturgeschichte bewegter Jahrzehnte blicken teils nostalgisch, teils mit kritischer Sympathie auf jene Orte, Menschen und Verhältnisse der Vergangenheit zurück, die unter die Räder des Fortschritts geraten waren. Zu Wort kommen Gedichte, kleine Erzählungen und autobiographische Reflexionen von Ferdinand von Saar, Otto Stoessl, Hugo von Hofmannsthal, Max Mell und Josef Weinheber.

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Josef Weinheber: Christkindlmarkt Am Hof (1931)

Jahresbericht 2018 / Programmausblick 2019

Kirchstetten, im Januar 2019

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitglieder und Freunde der Josef Weinheber-Gesellschaft!

Das vergangene Arbeitsjahr der Josef Weinheber-Gesellschaft stand im Zeichen des schweren Verlusts, den das Ableben unseres langjährigen Präsidenten Christian Weinheber-Janota am 26. Dezember 2017 bedeutet hatte.

Neuwahl des Vorstands

Die Gesellschaft hatte sich zunächst neu zu konstituieren, um die große Lücke, die Christian Weinheber-Janota hinterlassen hatte, wenigstens organisatorisch zu schließen. So wurde der Verfasser dieser Zeilen vom Vizepräsidenten zum Präsidenten der Gesellschaft „befördert“; als neue Vizepräsidentin stellte sich Frau Alexandra Weinheber-Janota, die Tochter des Verstorbenen, zur Verfügung. Ihr und der gesamten Familie Weinheber-Janota ist für die damit erwiesene wertvolle Kontinuität ihres Wirkens zugunsten unserer Institution sehr zu danken. Der neu zusammengesetzte, zunächst kooptierte Vorstand wurde in einer Außerordentlichen Generalversammlung am 11. November 2018 antragsgemäß in seinen Ämtern bestätigt. Mein herzlicher Dank gilt allen Mitgliedern des Vorstands sowie allen übrigen Teilnehmern für ihre keineswegs selbstverständliche Bereitschaft und Unterstützung.

Buchpräsentationen

In den ersten Monaten des vergangenen Jahres fand eine Reihe von Veranstaltungen statt, die der Präsentation der neuen, mit Unterstützung unserer Gesellschaft verwirklichten Weinheber-Auswahl, „Ich werde wieder sein, wenn Menschen sind“, galten. Überall traf ich dabei auf ein sehr interessiertes Publikum. Hervorzuheben wäre z. B. die schöne Präsentation im Rahmen des P.E.N.-Clubs Salzburg am 1. März (Lesung: Werner Friedl), der gemütliche „Abend für Josef Weinheber“, zu dem uns der Döblinger Heimatkreis von Wolfgang Schulz am 6. März geladen hatte (Rezitation: Peter Steinbach, s. Foto unten), und die spannende Diskussionsrunde in der Österreichischen Goethe-Gesellschaft am 9. April (Lesung: Dr. Herbert Schrittesser).

Von den kritischen Reaktionen, die das Buch, das alle Mitglieder als Jahresgabe erhalten haben, in der Presse hervorgerufen hat, sei der von großem Verständnis getragene Artikel von Prof. Dr. Günter Scholdt in der Berliner Wochenzeitung „Junge Freiheit“ vom 2. Februar 2018 besonders hervorgehoben („Bin ein düstrer Niemand diesem Land“, nachzulesen im Netzarchiv der Zeitung).

Ehrenmitgliedschaft für Ulli Fessl

Die Generalversammlung am 11. November 2018 fasste den Beschluss, Frau Ulli Fessl für ihre Verdienste um das Werk und die Person Josef Weinhebers die Ehrenmitgliedschaft der Josef Weinheber-Gesellschaft zu verleihen. Frau Fessl war das erste Mal im Jahr 1988 auf der Weinheber-Bühne der Gemeinde Kirchstetten gestanden, damals noch gemeinsam mit dem legendären Erich Auer. Sie hat sich seither als Schauspielerin, Vortragskünstlerin und auch als liebevolle Programmgestalterin in unnachahmlicher Weise für Josef Weinheber eingesetzt. Wir freuen uns sehr, dass sie die Ehrung angenommen hat. Die Urkunde wurde ihr im Rahmen der diesjährigen Lesung überreicht (s. Foto unten: Ehrenmitglied Ulli Fessl mit Brigitte Weinheber-Janota und Dr. Christoph Fackelmann).


Neben Ulli Fessl interpretierten diesmal Andreas Roder und Karl Tattyrek Lyrik von Josef Weinheber, musikalisch begleitet von Junko Tsuchiya (Klavier) und Taner Türker (Cello). Die Veranstaltung, die sehr gut aufgenommen wurde, stand unter dem Motto zweier Verse, die einst Hermann Claudius seinem Freund Weinheber gewidmet hatte: „Das ist das Wundersame deiner Kunst, / dass sie den Dingen ihr Geheimnis lässt …“

Neue Veranstaltungshinweise

Für heuer können wir zunächst zwei Veranstaltungen in intimerem Rahmen ankündigen, zu denen wir Sie sehr herzlich einladen (der Eintritt ist jeweils frei):

Samstag, 9. März 2019, 17:00 Uhr, Begegnungszentrum Quo vadis?, Stephansplatz 6, 1010 Wien: „Dienst im leergewordnen Heiligtume.“ Gedichte des Glaubens und der Gottsuche von Josef Weinheber und Reinhold Schneider. – Vortrag und Lesung: Dr. Christoph Fackelmann und Wolfgang Vasicek.

Dieser Veranstaltung für Liebhaber der Klassischen Moderne in Zusammenarbeit mit der Kulturinitiative „consideratio“ soll übrigens im Herbst ein zweiter Teil folgen. Darin stehen dann Georg Trakl und Karl Kraus im Mittelpunkt, beide bekanntlich zentrale Bezugsgrößen für Weinheber. Über das gesamte Programm der Reihe „Gedichte hören“ informieren die Seiten http://www.consideratio.at und http://www.quovadis.or.at.

Donnerstag, 11. April 2019, 17 Uhr 30, Volksbildungskreis Wien, Prinz-Eugen-Straße 44, 1040 Wien: „Ich bin ein Freund der Vergangenheit.“
Poetische Erinnerungen an das Alte Wien von Ferdinand von Saar bis Josef Weinheber. – Vortrag und Lesung: Dr. Christoph Fackelmann und Harald Cajka.

Auf weitere Termine werden wir Sie wie gewohnt in unseren Aussendungen und auf dem „Weinheber-Forum“ im Internet aufmerksam machen.
Bitte nützen Sie auch die Möglichkeit eines Besuches im Weinheber-Haus in Kirchstetten! Frau Brigitte Weinheber-Janota führt Sie gerne durch die original erhaltenen Schauräume und die Dauerausstellung, die viele sehenswerte Dokumente zeigt (telefonische Voranmeldung unter +43 [0]2743 8989 erbeten!). Am waldseitigen Ende des Gartens finden Sie, liebevoll gepflegt, die Grabstätte des Dichters.

Als kleinen Vorgeschmack auf den Besuch erlauben wir uns, diesem Jahresbericht ein Lesezeichen beizulegen, das die Weinheber-Gesellschaft im vergangenen Jahr für die jungen Besucher des Weinheber-Hauses aufgelegt hat („Weinheber für Frischlinge“).

Archiv und Sammlung

Im Sommer begann der Unterzeichnete eine schon lange geplante Neuordnung und Bestandsaufnahme der Arbeitsbibliothek im Weinheber-Haus. Die Aufschlüsse, die der dortige Buchbestand über Bildung, und Schaffen sowie über die bewegte Rezeptionsgeschichte des Dichters gewährt, sind nicht zu unterschätzen und bei weitem noch nicht vollständig erfasst. Die Neuaufstellung soll zunächst einmal eine bessere Übersicht und Verfügbarkeit gewähren. Die Durchsicht und Ordnung des Gesellschaftsarchivs soll folgen.

Unsere im letzten Jahresbericht erwähnten Bemühungen, neu aufgetauchte, wichtige Weinheber-Autographen (sog. Elisabeth-Ihle-Archiv) in sichere Obhut zu bringen, blieben vorläufig ohne Erfolg. Für einen Ankauf fehlen der Gesellschaft selbst die nötigen Mittel; finanzkräftige Förderer blieben bislang leider aus.

Auch mussten wir uns Mitte 2018 in der Sache eines eigenen Autographenkonvoluts aus dem Archiv der Gesellschaft (Briefe an Edmund Finke) gegen die Ansprüche eines Wiener Autographenhändlers zur Wehr setzen, was nur mit Hilfe unseres Mitglieds Dr. Helmut Noll und mit rechtsanwaltlichem Beistand gelingen konnte.

Das waren wenig erfreuliche Entwicklungen, die meine Bitte an die Mitglieder und Freunde der Josef Weinheber-Gesellschaft unterstreichen: Wir brauchen engagierte Mitarbeiter und Unterstützer – solche, die unserer kulturellen Arbeit mit Rat und Tat, und solche, die ihr finanziell unter die Arme greifen. Bitte bedenken Sie: Wir müssen unsere Publikations- und Veranstaltungstätigkeit sowie unsere wissenschaftlichen Projekte derzeit nach wie vor fast ausschließlich auf private Initiative bauen. Da uns nicht selten ein verständnisloses gesellschaftliches Klima entgegenschlägt, verfügen wir auch über keine regelmäßigen Zuschüsse von öffentlicher Hand.

Nun wünsche ich Ihnen und unserer gemeinsamen Sache ein erfreuliches Jahr 2019 und verbleibe im Namen der Josef Weinheber-Gesellschaft

mit herzlichen Grüßen
Ihr

Dr. Christoph Fackelmann
Präsident der Josef Weinheber-Gesellschaft

Hier finden Sie die vollständige Fassung des Jahrersberichts im Original-Falterformat als PDF zum Herunterladen.